Aachener Zeitung - 08 November 2007
Von Grit Schor

Eine spirituelle Reise in fremde Welten

Wie der Schlusspunkt einer großen Auftrittsstaffel wirkte das «visuelle Konzert» nun wahrlich nicht - höchst präsent und kein bisschen müde präsentierten Flötist Chris Hinze und Fotograf Kai-Uwe Küchler ihre «Tibet Impressions» im Rahmen der «Voices»-Reihe im gut besuchten «space» des Aachener Ludwig Forums.

Zwei kreative Globetrotter gaben auch auf der letzten Station ihrer Tournee ihr Bestes. Und fanden zum Ausgleich «ein wunderbares Publikum» vor, wie der renommierte Jazz-Flötist, 1938 im niederländischen Hilversum geboren, immer wieder beteuerte.

«Am Anfang war der Wind» - die unverwechselbare Stimme von Christian Brückner führte unmittelbar in die faszinierende Welt der Tibeter, ihrer Klostergemeinschaften und der alles überwältigenden Natur. Seit über 50 Jahren von China «annektiert», ist Tibet bis heute «ein besetztes Land», wie Kai-Uwe Küchler berichtete.

Ein Land, aus dem das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, 1959 vertrieben wurde: Vor der blutigen Unterdrückung floh der «Gottkönig» mit etwa 70.000 Tibetern nach Indien - wo er 1992/93 von Hinze und Küchler besucht wurde.

Ausschnitte des Interviews, die raunenden Gesänge der buddhistischen Mönche sowie Klänge und Geräusche aus dem Alltagsleben in Tibet gingen ein in Hinzes Komposition «Tibet Impressions».

Bildmächtig unterstützt von Küchlers traumhaften Überblendprojektionen auf einer Riesenleinwand, entfaltete Hinze den betörenden Zauber seines Instruments, lautmalerisch modulierend, kosend und neckend bis hin zum Raum füllenden Wohlklang.

Je länger der Abend dauerte, umso intensiver verdichtete sich der meditative Eindruck und das Gefühl, in der Verschmelzung von Tönen, Musik und Bildern den Atem der Götter zu spüren, in Lhasa, der «Verbotenen Stadt» oder auf dem «Dach der Welt».

Humorvolle Einlassungen der beiden Globetrotter erleichterten den Zugang zu einer fremden Welt, die in Küchlers suggestiven Bildern ganz nahe rückte - mit hellwachen Menschengesichtern, bizarr anmutenden Bräuchen und Gewändern ebenso wie mit grandiosen Berglandschaften, uralten Klöstern oder halbzerstörten Palästen.

Dass Hinze, der mit Jazz-Größen wie James Moody, Paul Horn oder Don Burrows auftrat, längst selbst ein Großer des «World-Jazz» ist, erschloss sich auch dem ungeübten Zuhörer - weil der weit gereiste Musiker wirklich virtuos ist. «Er entlockt seinem Instrument wahre Magie», begeisterte sich eine junge Besucherin in der Pause.

Die geforderte Zugabe gab der Kosmopolit am Schluss sichtlich gern; mit der gleichen Freude wurden auch die beschwörenden Friedensappelle des Dalai Lama zitiert: keineswegs «gebetsmühlenhaft», sondern überaus überzeugend.